Dienstag, 10. Juni 2025
Nach dem gestrigen grossen Sprung nach Nørre Lyngby darf ich heute ausschlafen – ich verpasse Nichts, der Himmel liegt schwermütig grau über Nordjütland und immer wieder zieht Regen langsam aus Süden daher. Es ist beinahe windstill – ich befinde mich im Zentrum eines Tiefdruckgebiets, das nur langsam nach Nordosten abzieht.

Der Shelter in Nørre Lyngby ist ein Geschenk bei diesem Wetter, bietet er doch deutlich mehr Bewegungsfreiheit als mein Zelt und ich kann gefahrlos meinen Gaskocher anheizen, was ich im Zelt aufgrund der Brandgefahr nur sehr sehr ungern mache.
Bis zum späten Nachmittag geschieht Nichts Spannendes: Rumgammeln an einem Regenwettertag. Es bleibt Zeit, den undichten Schlauch des Vorderrades zu reparieren, damit ich wieder einen Ersatzschlauch einsatzbereit habe. Interessanterweise ist nur das Ventil defekt – das gab es lange nicht! Mittags schlüpf ich in die Regenklamotten und mache mich auf Erkundungstour: die Startplätze im Fluggebiet Løkken – Nørre Lyngby müssen noch erkundet werden, schließlich will ich morgen hier gerne fliegen… So zumindest der Plan!

Bis jetzt war es hier in Jütland beschaulich ruhig, aber so langsam fährt die Tourismussaison hoch und selbst an einem regnerischen Tag herrscht in Løkken schon ein wenig Betrieb.

Die Anzahl und Größe der Bars, Restaurants und Cafés lässt aber vermuten, dass hier zu Hochsaison die Post richtig abgeht.
Ich verkriech mich nach meinem Ausflug wieder in meinem Shelter und richte mich auf eine Lesestunde ein. Aber… Irgendwas ist plötzliche anders: Windgeräusche werden hörbar, ein heller Widerschein im gleichförmigen Himmelsgrau leuchtet auf. Es wird doch nicht….? Zur Sicherheit kletter ich aus meiner Behausung und checke die Lage. Es regnet noch immer aber tatsächlich zeigen sich im Westen erste Wolkenlücken und es weht ein munteres Lüftchen aus Nordwest. HAMMER!!! Das war so nicht vorhergesagt….
In Windeseile mach ich mich flugfertig und klopf mir selber auf die Schulter, dass ich Nachmittags in Løkken der Verløkkung widerstanden und nicht schon mal ein Bierchen gezischt habe – sonst wäre es das nämlich gewesen mit Fliegen. Don’t drink and fly!
Von meinem strategisch perfekt gelegen Shelter bin ich in 5 Minuten am Startplatz oben auf der Klippe von Nørre Lyngby. Dort bläst der Wind schön gleichmäßig mit ausreichender Geschwindigkeit auf die Steilküste. Es kann losgehen! Ich zieh Sissy auf und als der Schirm über mir steht wird sofort klar: die will fliegen. Der hier fast senkrechte Abbruch der Steilküste erzeugt ein starkes Aufwindband, das mich mühelos in die Höhe und über den Abbruch hinaus trägt. Wow – dass dieser Tag so enden wird, war mal wieder nicht abzusehen. Ich erfliege zunächst im Umfeld des Startplatzes die Küste, um zu lernen, wie die Wind- und Flugbedingungen an diesem Hang so sind und als ich genügend Sicherheit spüre mache ich mich auf zum Leuchtturm von Rubjerg Knude, der bereits in der Ferne zu sehen ist.

Zunächst war ich tatsächlich etwas angespannt, denn diese Bedingungen waren nicht vorhergesagt – was wenn der Wind plötzlich doch einschläft? Ok, der Strand ist fast überall breit genug zum Landen – gefährlich ist die Flugreise zum Rubjerg Knude Fyr also nicht. Im schlimmsten Fall ist eben ein 6 bis 7 km langer Fußmarsch fällig – nicht schön, aber akzeptabel 😀. Doch dazu kommt es nicht.
Bei traumhaften Bedingungen hänge ich fast 2 1/2 Stunden über der Steilküste zwischen Lønstrup und Løkken.






Die Stunde vor Sonnenuntergang ist meine Lieblingszeit an der Küste: warmes, schräg einfallendes Licht taucht die Landschaft in ganz besonders kräftige Farben. Und der Himmel gehört mir alleine um diese Zeit. Dass Sissy nach der Landung von der hohen Luftfeuchte klatschnass im Packsack verschwinden muss nehm ich gern in Kauf… Morgen früh scheint dir Sonne wieder und trocknet meinen Flügel!


Egal was morgen ist: mein Plan, diese wunderschöne Steilküste mit dem Gleitschirm zu befliegen ist aufgegangen, wenn auch ein Tag früher als eigentlich geplant 😄






























































